1. „Heute ist mir etwas passiert…“ – Willkommen im
Cringe-Feed
Man scrollt durch den LinkedIn-Feed und denkt:
War das noch ein Business-Netzwerk – oder bin ich versehentlich in einem Motivations-Podcast gelandet?
Posts beginnen mit:
- „Ich war neulich beim Bäcker – und habe dabei etwas über Leadership gelernt.“
- Oder: „Heute ist mein erster Arbeitstag. Ich habe geweint. Und hier ist meine Learnings-Slideshow dazu.“
Dazu: Hashtags wie #growth #mindset #vulnerability #purpose
Was als Versuch begann, menschlicher zu kommunizieren, wirkt heute oft wie eine Karikatur von Echtheit.
2. Die neue Authentizitätsformel – emotional, poliert, algorithmusfreundlich
Viele LinkedIn-Posts folgen einer Dramaturgie, die fast schon KI-generiert wirkt:
- Persönliche Mini-Krise
- Plötzliche Erkenntnis
- Smoothes Business-Fazit
- Call-to-Engage („Was denkst du dazu?“)
- Drei Emojis & 5 Hashtags
Das Problem:
Diese Beiträge sehen authentisch aus – sind aber oft hochgradig formatiert und strategisch kalkuliert.
Was fehlt, ist echte Substanz. Und manchmal auch Relevanz.
3. Warum Business-Cringe ein Symptom ist – nicht das Problem
Die inflationäre Nutzung von Persönlichkeits-Content ist kein Zufall.
Plattformen belohnen Emotionalität. Reichweite entsteht nicht durch Fachlichkeit – sondern durch Resonanz.
Und genau hier entsteht die Cringe-Kurve:
- Je emotionaler, desto besser fürs Engagement
- Je mehr Menschen das merken, desto mehr tun es
- Irgendwann verschwimmt der Unterschied zwischen persönlich und performativ
Authentizität wird zur Pose – aber bleibt nicht echt.
4. Was Unternehmen und Professionals daraus lernen können
Die Lösung ist nicht, wieder kalt und anonym zu werden.
Sondern:
- 👉 Echtheit strategisch denken – ohne sie zu überinszenieren
- 👉 Content mit Haltung UND Relevanz kombinieren
- 👉 Sich fragen: Würde ich das auch so erzählen, wenn ich keine Likes bekäme?
Für Marken heißt das:
- Führungskräfte nicht zu LinkedIn-Schauspielern machen
- Employer Branding nicht auf weinende Onboarding-Stories reduzieren
- Wirklich zeigen, was im Unternehmen passiert – auch wenn’s nicht always perfect ist
5. Fazit: Authentisch ≠ Cringe – aber geplant muss es auch nicht sein
LinkedIn ist nicht kaputt.
Aber der Zwang zur gefühlten Echtheit hat viele Inhalte entkernt.
Vielleicht ist 2025 das Jahr, in dem wir lernen:
Nicht jeder Insight braucht eine Storyline.
Nicht jeder Mensch muss ständig reflektieren.
Und nicht jeder Moment ist ein Karriere-Meilenstein.
Denn das, was uns wirklich verbindet, sind keine Formeln – sondern Menschen, die einfach mal echt schreiben. Ohne Maske. Ohne Choreo. Ohne „Heute ist mir etwas passiert…“