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Creativ Cult

1. Ordnung ist gut – aber ist sie noch zeitgemäß?

Designsysteme sind ein Segen.
Sie bringen Ordnung, Struktur, Wiedererkennbarkeit. Sie helfen Teams, effizient zu arbeiten, sparen Zeit, Ressourcen, Nerven. Und sie sind überall: In Markenhandbüchern, UI-Kits, Templates, Component Libraries.
Doch mit jedem neuen Pattern, jeder Regel, jedem festen Raster wächst auch eine leise Gefahr:
Die kreative Eintönigkeit.

Was einst für Klarheit sorgte, wirkt heute oft wie ein kreativer Käfig.

2. Designsysteme sind keine Ideenfabriken – sie sind Sicherheitsnetze

Ein Designsystem sichert Qualität. Aber es generiert keine Idee.
Es hilft, das Bekannte zu wiederholen. Aber es tut sich schwer mit dem Unerwarteten.
Was passiert, wenn Teams sich zu sehr auf Systeme verlassen:

  • Designs wirken identisch – egal welches Thema
  • Kampagnen verlieren Dynamik
  • Experimente finden nicht statt, weil sie „nicht in die Struktur passen“
  • Marken wirken solide – aber selten überraschend

Kurz: Die Gestaltung wird korrekt – aber nicht lebendig.

3. Warum Chaos ein kreatives Prinzip ist

Kreativität braucht Reibung.
Neugier. Irritation. Ungeplante Ideen.
Designgeschichte ist voll von Momenten, in denen Systeme durchbrochen wurden – nicht aus Rebellion, sondern weil es für die Wirkung nötig war:

  • Schweizer Plakatdesign
  • Deconstructivism im Editorial
  • Brutalist Webdesign
  • Anti-Corporate Art Direction

Das bedeutet nicht, dass alles chaotisch sein sollte. Aber: Systeme dürfen nicht zu Dogmen werden.

4. Designsystem ≠ Markenidentität

Ein weit verbreiteter Irrtum:
Das Designsystem ist die Marke.
Falsch.
Es ist ein Ausdruck der Marke – aber nicht ihr Wesen.
Denn:
Werte entstehen nicht durch Pixel-Raster.
Haltung zeigt sich nicht in 12-Punkt-Abständen.
Emotion braucht mehr als UI-Komponenten.
Ein flexibles, wachsendes Markenbild braucht nicht nur Ordnung – sondern auch Mut zur gestalterischen Abweichung, wo es Sinn ergibt.

5. Was das für Agenturen, Designer:innen und Marken bedeutet

Agenturen sollten:

  • ✅ Systeme mitdenken – aber nie als Endpunkt
  • ✅ bewusst Raum für freie Formate schaffen
  • ✅ mit Kund:innen definieren, wo Stabilität wichtig ist – und wo Spiel möglich sein soll
  • ✅ lernen, Regeln auch zu hinterfragen, wenn sie die Wirkung behindern

Gute Designer:innen bauen keine Gefängnisse – sie bauen Spielplätze mit klaren Zäunen.

6. Fazit: Zwischen Raster und Rebellion liegt das Neue

Designsysteme sind wertvoll.
Aber sie sind nicht heilig.
Kreativität entsteht nicht im Raster – sondern im bewussten Spiel damit.
Und gute Marken brauchen 2025 nicht nur Wiedererkennbarkeit – sondern Wachstumsspielräume, die mutig gestaltet werden.
Denn manchmal ist ein kleiner Bruch im System genau das, was Aufmerksamkeit erzeugt.
Und genau das ist es, was gute Gestaltung ausmacht: nicht nur Ordnung. Sondern Wirkung.

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